Gudrun Fischer Amazonas, Indigene und die Landwirtschaft im politisch neu aufgestellten Brasilien. Bericht von einer März-Reise ins Amazonasgebiet

Dienstag, 02.05.2023
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Ort: Kukoon
Amazonas, Indigene und die Landwirtschaft im politisch neu aufgestellten Brasilien. Bericht von einer März-Reise ins Amazonasgebiet
Aus Anlass des 30. „La Via Campesina Tages“, der weltweit am 17. April begangen wird, berichtet Gudrun Fischer von ihrer letzten Reise in Brasilien. La Via Campesina („der bäuerliche Weg“) ist eine internationale, kleinbäuerliche Bewegung, zu der viele Millionen Menschen gehören. Sie gilt als die größte politische Bewegung der Welt und kämpft für Ernährungssouveränität, Umverteilung von Land, ökologische Landwirtschaft ohne Pestizide, gegen Kapitalismus, Patriarchat und Gewalt. Ihr Jahrestag erinnert an den Mord an 21 Menschen, die am 17. April 1996 im brasilianischen Bundesstaat Pará in Brasilien einen Protestmarsch unternahmen. Die Polizei schoss mit scharfer Munition in den Protestmarsch. 19 Teilnehmer*innen wurden dabei ermordet – (zwei weitere starben später im Krankenhaus). Das war das „Massaker von Eldorado do Carajás“.
Fischer berichtet auf der Veranstaltung von ihrem Besuch in einem indigenen Dorf des Volkes munduruku im brasilianischen Bundesstaat Pará. Die munduruku leben auf ihrem noch nicht gänzlich anerkannten Territorium im Amazonasurwald am mittleren Tapajós. Ihre Existenzgrundlage ist extrem gefährdet, denn sie sind umzingelt von riesigen illegalen Goldgräberminen, von Holzräubern, von Palmherzen-Dieben und Landräubern. Das Gebiet der mundurucu liegt dort, wo ursprünglich einmal mehrere Wasserkraftwerke den Tapajós stauen sollten. Ihr Kämpfe Mitte der 2010er Jahre verhinderten dies. Nun aber sind sie vergiftet. Denn ihr Hauptnahrungsmittel, Fisch, ist mit Quecksilber aus den Goldminen verseucht. Dieses Volk, das sich immer ausgewogen von Fisch, Urwaldfrüchten, Nüssen, der Jagd und ihrem angebauten Maniok ernährte, nimmt nun Supermarkt-Essen, dessen Zutaten von der industrialisierten Landwirtschaft stammen, zu sich.
Nicht weit vom mundurucu Territorium verläuft die Transamazônica und die Bundesstraße 163. Auf diesen Straßen wird ein großer Teil des im Zentrum und Süden Brasiliens angebauten Gen-Sojas per Lastwagen an den Amazonas gebracht. Im Hafen von Santarém, an der Mündung des Tapajós in den Amazonas, wird das Gen-Soja auf Hochseeschiffe verladen und nach Europa und Asien exportiert. Wird die neue Regierung unter Lula da Silva die Amazonaszerstörung und die Gewalt gegen dort lebende traditionelle Gemeinschaften eindämmen? Im Amazonasgebiet verbinden sich die Kämpfe der Landlosen, der Indigenen, der Quilombos (Siedlungen entflohener Skalv*innen), der Sammler*innen aus den Sammelreservaten (Resex) und der Umweltbewegung.
Viele Indigenen gaben sich Fischer gegenüber sehr erleichtert, dass der rechtsextreme Präsident vom Vorjahr nicht mehr an der Macht ist. Die Referentin zeigt während ihres Vortrags Fotos aus dem indigenen Dorf Sawré Muybu, vom Tapajós, von Itaituba und Santarém. Dazu spielt sie kleine Audiosstücke aus ihren Interviews ein. Außerdem skizziert sie die Geschichte der Besiedlung des Amazonasgebiets, das einst 60 Prozent der Fläche Brasiliens bedeckte, bereits zu 20 Prozent abgeholzt und größer als die gesamte EU ist. 
 
Diese Veranstaltung findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Widerstand und praktische Utopie gegen die agrar-industrielle Landwirtschaft" statt.

Gudrun Fischer lebt in Bremen und Rio de Janeiro und arbeitet als Radiojournalistin (ursprünglich Biologin).
 

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