Thorsten Fuchshuber Rackets. Kritische Theorie der Bandenherrschaft

Donnerstag, 19.10.2023
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Ort: Kukoon
Rackets. Kritische Theorie der Bandenherrschaft

Das Racket wurde von Max Horkheimer weder als neutrale Strukturkategorie noch als soziologischer Idealtypus begriffen, sondern als dialektisch-anthropologische »Grundform der Herrschaft«. Zunächst als Kritik des Nationalsozialismus intendiert, sollte sie zugleich die verschiedene Gesellschaften übergreifenden Tendenzen identifizieren, die mit der »steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals« (Marx) wirksam werden, und zwar in politisch höchst unterschiedlichen Formen. Gemein ist den Rackets die Zerstörung und Unterdrückung all jener gesellschaftlichen Vermittlungsinstanzen, die die selbstdestruktive Dynamik des Kapitals in einem gewissen Maße einhegen und damit auch dem aus dieser Dynamik entspringenden antisemitischen Wahn bestimmte Schranken setzen könnten. Die Racket-Theorie sollte ein »Dokument unabhängiger Theorie unserer Zeit« werden und auf Initiative von Max Horkheimer in Form einer umfassenden Kollektivarbeit von allen Mitarbeitern des einstigen Frankfurter Instituts für Sozialforschung im US-amerikanischen Exil ausgearbeitet werden. Letztlich jedoch ist die Rackettheorie ein Fragment geblieben.

Der Vortrag stellt die Entstehungsgeschichte jener theoretischen Grundrisse dar und zeichnet sie als in intensiver Auseinandersetzung mit der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie entwickelte Kritik der Gewalt aus. Er thematisiert den Zusammenhang und die Differenz von Souveränität und prekärer Einheit, die die miteinander rivalisierenden Rackets allenfalls zu bilden imstande sind, sowie die zentrale Bedeutung, die der Antisemitismus dabei hat. Auch nach dem Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus scheint die Relevanz der Rackettheorie für eine Kritik der spätkapitalistischen Totalität unabgegolten: Gesellschafts- und Staatszerfall äußern sich in verschiedenen Formen, nicht allein in Bandenherrschaft und failed states wie Somalia; so etwa im russischen Racket-Staat und der mit ihm verbundenen „multipolaren Ordnung“, in der Destabilisierung ganzer Länder und Regionen wie im Nahen Osten unter dem führenden Einfluss des Iran. Nicht zuletzt im Fortbestand der antisemitischen Vernichtungsdrohung und im globalen Hass auf Israel kulminiert daher die traurige Aktualität der Racket-Theorie.

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